Vergleich substituierter und nicht-substituierter opioidabhängiger Strafgefangener in Bezug auf das Verhalten im Haftalltag

Kerstin Geißelsöder, Maren Weiss, Klara Boksán, Michael Dechant, Johann Endres, Maike Breuer, Mark Stemmler & Norbert Wodarz

Praxis der Rechtspsychologie 33 (2), November 2023, S. 105–134
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20230206

Zusammenfassung

Zielsetzung: Die vorliegende Studie untersucht Zusammenhänge zwischen der Behandlung opioidabhängiger Strafgefangener und deren Verhalten im Haftalltag.
Methode: Im Rahmen der Studie „Haft bei Opioidabhängigkeit – eine Evaluationsstudie“ wurden N = 247 Gefangene untersucht, die während ihrer Inhaftierung in bayerischer Strafhaft entweder nicht (n = 85), durchgehend (n = 102) oder zeitweise (n = 60) substituiert wurden.
Ergebnisse: Durchgehend substituierte Proband:innen berichteten von einem geringeren Konsum illegaler Opioide sowie illegaler Substitutionsmedikamente in Haft, von geringerem Craving und Langeweile im Haftalltag sowie einer höheren Behandlungszufriedenheit hinsichtlich ihrer Suchtproblematik. Bei der durchgehend substituierten Gruppe waren zudem mehr Urinkontrollen sowie Besuche in der Krankenabteilung dokumentiert. Hinsichtlich des Konsums weiterer illegaler Substanzen, den erlebten Entzugserscheinungen, Arbeit in Haft sowie Vollzugstatbeständen, Disziplinarmaßnahmen oder Lockerungen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Gruppen.
Schlussfolgerung: Eine durchgehende Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Gefangener scheint zu einer Reduktion des illegalen Opioid- sowie Substitutionsmedikamentenkonsums während der Haft zu führen. Hinweise auf einen „ruhigeren“ Haftalltag ergeben sich jedoch nur aus den Eigenangaben, nicht aus den objektiv dokumentierten Parametern.

Abstract

Objective: This study examines associations between the treatment of opioid-dependent prisoners and their behavior in everyday prison life.
Method: The study „Incarceration and opioid dependence – an evaluation study“ examined N = 247 prisoners who received either no (n = 85), continuous (n = 102) or intermittent (n = 60) Opioid Substitution Treatment (OST) during their incarceration in Bavarian prisons.
Results: Prisoners under OST throughout their incarceration reported significantly less use of illegal opioids and illegal substitution medication, lower craving, less boredom in everyday prison life and higher treatment satisfaction with regard to addiction problems. Moreover, they had more documented tox screens and visits to the infirmary. There were no significant differences between the three groups with regard to the use of other illicit substances, withdrawal symptoms, work in prison, offences in prison, disciplinary infractions, freedoms or relaxations.
Conclusions: Continuous OST of opioid-dependent prisoners seems to lead to a reduction of illicit opioid and substitution drug use during imprisonment. However, indications of al “calmer” everyday life in prison only result from the self-reported data, not from the objectively documented parameters. 

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