Einschätzungen zu Bindungsbeziehungen und geäußerter Kindeswille in einer Stichprobe von Sachverständigengutachten zu Sorgerechtsstreitigkeiten (§ 1671 BGB)

Heinz Kindler, Marianne Schwabe-Höllein & Petra August-Frenzel

Praxis der Rechtspsychologie 31 (2), Dezember 2021, S. 87–104
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20210204

Zusammenfassung

Berichtet werden Ergebnisse zur Bindungsdiagnostik durch Sachverständige aus einer Stichprobe von 103 Fällen mit Streitigkeiten um Aufenthalt oder elterliche Sorge. Die Bindungsdiagnostik erfolgte multimethodisch mit mindestens zwei Beobachtungsterminen pro Elternteil. Kodiert wurde, inwieweit sich Hinweise auf ein ähnliches Maß an emotionaler Sicherheit eines Kindes mit beiden Elternteilen oder mehr emotionale Sicherheit bei einem Elternteil ergaben. Zudem wurden Hinweise auf Bindungsdesorganisation, Beeinflussung des Kindes durch einen oder beide Elternteile und der geäußerte Kindeswille zum Lebensmittelpunkt erhoben. Bei etwa 55% der Kinder fanden sich Hinweise auf mehr emotionale Sicherheit bei einem Elternteil. 38% der Kinder äußerte keine Präferenz zum Lebensmittelpunkt. Wenn eine Präferenz geäußert wurde und Hinweise auf mehr emotionale Sicherheit bei einem Elternteil vorlagen, richtete sich die Präferenz des Kindes bevorzugt auf den Elternteil mit dem mehr emotionale Sicherheit erlebt wurde. Beeinflussung, insbesondere Beeinflussung durch beide Elternteile, ging mit Anzeichen von Desorganisation einher.

Abstract

For a sample of 103 court cases with parental conflicts regarding custody and residence results on attachment diagnostics by psychological court experts are reported. Attachment diagnostics was performed using multiple methods with two observations per parent. It was coded whether there were indications for a similar level of emotional security with both parents or more emotional security with one parent than the other. In addition, indications for attachment disorganization, manipulation of the child by one or both parents and children’s views regarding residence were coded. About 55% of the children showed indications for more emotional security with one than the other parent. 38% of the children did not express any preference regarding their preference. If a preference was expressed and if there were indications for more emotional security with one than the other parent, children most often wanted to live with the parent to whom they showed comparably more indications for emotional security. Manipulation, especially manipulation by both parents was associated with indications for attachment disorganization.

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