Erfassung von Merkmalen kindlicher Bindung in familienrechtlichen Verfahren: Methodische Überlegungen

Gottfried Spangler & Peter Zimmermann

Praxis der Rechtspsychologie 31 (2), Dezember 2021, S. 53–86
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20210203

Zusammenfassung

Merkmale kindlicher Bindung spielen für familienrechtliche Fragen eine wichtige Rolle. Im Artikel werden relevante Bindungsmerkmale (Vorliegen einer Bindung, Unterschiede in Bindungssicherheit und Bindungsdesorganisation, Bindungsstörungen) und ihre Erfassungskriterien beschrieben. Außerdem werden Probleme der Erfassung von Bindungsmerkmalen bei der Erstellung familienpsychologischer Gutachten thematisiert, die darin bestehen, dass nicht selten Mängel in der Kenntnis von bindungstheoretischen Konzepten oder Kriterien vorliegen, leicht handhabbare diagnostische Verfahren nicht intern valide sind und fundierte Methoden aus der Forschung nur begrenzt in die Begutachtung transferiert werden können. Für die Begutachtung wird ein eklektisch-pragmatisch, bindungstheoretisch fundierter Ansatz empfohlen, bei dem systematisch und theoretisch fundiert mehrere Bindungsindikatoren aggregiert und integriert werden, die zudem Merkmale der Bindungspersonen und unterschiedliche Erfassungsebenen (Verhalten, Repräsentationen) beinhalten. Abschließend wird die Nutzung von Bindungsmerkmalen in der Begutachtung für die Beurteilung der kindlichen Erfahrungen, der aktuellen Belastungsbewältigung und einer Entwicklungsprognose erläutert und es wird auf Implikationen für die Aus- und Weiterbildung eingegangen.

Abstract

Child attachment characteristics are important for family court decisions. This article provides a description of relevant attachment characteristics and their assessment criteria (presence of attachment, differences in attachment quality, attachment disturbances). In addition, potential problems and pitfalls of attachment assessments in psychological court expert reports are addressed, including the topics of deficits in knowledge of basic attachment concepts and behavioural criteria, poor internal validity of easy accessible diagnostic attachment or relationship tools, and the limits of transferring valid and sound attachment research methods to the psychological assessments in expert court reports. We recommend an eclectic approach informed by attachment theory, of aggregating and integrate several attachment indicators, including characteristics of attachment figures and different levels of attachment assessment (behaviour and representation). Finally, discuss the use of attachment characteristics for giving a professional opinion on the impact of child rearing experiences, a child’s resilience in face of current adversities, and for predicting potential developmental trajectories. Implications for education and training of experts are mentioned.

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