Zusammenhänge zwischen Gewalterfahrungen, Bedeutungslosigkeit und extremistischen Einstellungen bei Jugendlichen – Eine Überprüfung der Quest for Significance Theory

Jenny Marina Butt, Laura-Romina Goede & Werner Greve

Praxis der Rechtspsychologie 31 (1), Juni 2021, S. 77–101
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20210104

Zusammenfassung

Extremistische Gruppen und Ideologien üben weltweit Anziehungskraft auf überwiegend junge Menschen aus. Angesichts der Gefährdungslage für Gesellschaft und Individuum ist die Nachfrage nach empirisch abgesicherten Erklärungen der Motive für die Hinwendung zu extremistischen Denk- und Verhaltensweisen sowie daraus ableitbaren Präventionsangeboten groß. Die Quest for Significance Theory identifiziert als zentralen Wirkfaktor im Radikalisierungsprozess das Erleben der eigenen Bedeutungslosigkeit (Kruglanski, Chen, Dechesne, Fishman & Orehek, 2009a, 2009b). Die vorliegende Studie überprüft die Annahmen der Quest for Significance Theory an einer jugendlichen deutschen Stichprobe (N = 6715). Als auslösende Bedingungen für den empfundenen Verlust der eigenen Bedeutsamkeit werden Gewalterfahrungen (Diskriminierung, Viktimisierung und elterliche Gewalt) untersucht.

In linearen Regressionsanalysen zeigen sich positive Zusammenhänge zwischen Gewalterfahrungen und empfundener Bedeutungslosigkeit sowie zwischen Gewalterfahrungen und extremistischen Einstellungen. Eine mediierende Wirkung von empfundener Bedeutungslosigkeit auf den Zusammenhang zwischen Gewalterfahrungen und extremistischen Einstellungen kann jedoch nicht bestätigt werden. Die Ergebnisse weisen allerdings auf das Erleben von Gewalt als Risikofaktor für Radikalisierung hin.

Abstract

Worldwide extremist groups and ideologies predominantly attract young people. In view of the threats to society and the individual, there is a great demand for empirically verified explanations of the motives for developing an extremist mindset or behavior, and for preventive measures that can be derived from them. The Quest for Significance Theory identifies experiencing one’s own insignificance as a central factor in the process of radicalization (Kruglanski, Chen, Dechesne, Fishman & Orehek, 2009a, 2009b). The present study tests the assumptions of the Quest for Significance Theory using a German sample of adolescents (N = 6715). Experienced violence (discrimination, victimization and parental violence) is examined as a triggering condition for the loss of one’s own significance.

The statistical analysis shows positive connections between experienced violence and significance loss, as well as between experienced violence and extremist attitudes. However, a mediating effect of significance loss on the connection between experienced violence and extremist attitudes cannot be confirmed. Nevertheless, the results do point to experienced violence as a risk factor for radicalization.

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