Wie soziale Exklusion zu terroristischer Radikalisierung beitragen kann: Ein Überblick mit Fokus auf experimentellen Forschungsbefunden

Michaela Pfundmair & Luisa Afra Malin Mahr

Praxis der Rechtspsychologie 31 (1), Juni 2021, S. 53–76
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20210103

Zusammenfassung

Was treibt Menschen dazu, im Namen einer Ideologie auf extreme Mittel wie Gewalt zurückzugreifen? Vielfach legen theoretische Radikalisierungsmodelle wie auch die Lebensläufe Radikalisierter soziale Exklusion als einen Faktor nahe, der Menschen vulnerabel gegenüber radikalen Ideologien und deren Gruppen macht. Obwohl soziale Exklusion immer wieder als möglicher Risikofaktor der Radikalisierung identifiziert (?) wurde, fehlte dieser Annahme lange eine empirisch belastbare Grundlage, insbesondere im Hinblick auf experimentelle Untersuchungen, die einen Ursache-Wirkungs-Schluss ermöglichen. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über die Rolle sozialer Exklusion im Radikalisierungsprozess und setzt dabei einen besonderen Fokus auf die aktuell bestehenden experimentellen Forschungsbefunde. Es zeigt sich, dass soziale Exklusion über deprivierte individuelle Bedürfnisse und eine höhere Ansprechbarkeit gegenüber Gruppenprozessen zu Radikalisierungstendenzen beitragen kann. Hieraus ergeben sich Implikationen für die Radikalisierungsprävention, die sich nicht nur auf einer politischen und gesamtgesellschaftlichen, sondern auch auf einer individuellen Ebene umsetzen lassen.

Abstract

What drives people to recourse to extreme means like violence on behalf of ideologies? Theoretical models and biographies of radicalized individuals frequently suggest social exclusion as a factor that makes people vulnerable toward radical groups and ideologies. However, although social exclusion has been repeatedly argued to be a risk factor for radicalization, a sound empirical basis was lacking in the past, in particular, with regard to experimental investigations which allow cause and effect conclusions. The present article provides an overview on the role of social exclusion in radicalization, with a special focus on current experimental research. The latter shows that social exclusion can contribute to radicalization tendencies via deprived individual needs and a higher responsiveness toward group processes. This yields important implications for preventive measures, which may be implemented not only at a political and macrosocial but also at an individual level.

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Die Zeitschrift richtet sich auch an Vertreter:innen angrenzender Fachgebiete wie Justiz, Anwaltschaft, Ministerien, Gerichte, Rechts-, Sozial- und Kriminalpolitik sowie im Bereich der sozialen Arbeit Tätige.

Über den Deutschen Psychologen Verlag

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