Elterliche Kooperation und Bindungstoleranz als Kriterien in der Familienrechtspsychologie

Heinz Kindler & Joseph Salzgeber

Praxis der Rechtspsychologie 33 (1), Juli 2023, S. 41–60
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20230102

Zusammenfassung

Die Zusammenarbeit von Eltern nach einer Trennung hat sich in Rechtsprechung und Familienrechtspsychologie zu einem Kriterium bei Fragen zur Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge und der Übertragung auf einen Elternteil entwickelt. Vier Konzepte werden im Beitrag diskutiert: Bindungstoleranz, Kooperation und Coparenting sowie Gatekeeping. Konzeptuelle Probleme lassen die Verwendung von Bindungstoleranz als Begriff in der Familienrechtspsychologie problematisch erscheinen. Kooperation und Coparenting werden zur Beschreibung der Situation der Elterndyade oder zur Beschreibung individueller Bereitschaft und Fähigkeit eingesetzt. Einschätzungen zu Kooperation oder Coparenting als individuelles Merkmal sind fehleranfällig, wenn individuell verantwortete Handlungen aus Handlungsketten herausgelöst werden. Fairness kann ebenfalls eine Herausforderung bei der Erhebung sein. Partnerschaftsgewalt oder Formen von Kindeswohlgefährdung müssen als Handlungen gesehen werden, die dem anderen Elternteil Kooperation und Coparenting verunmöglichen. Unterstützendes, schützendes und restriktives Gatekeeping stellen elterliche Verhaltensmuster dar, die von Gerichtssachverständigen in Verfahren eingebracht werden können.

Abstract

Parental cooperation after separation has become a criterion for questions around joint custody and single custody in case law and family legal psychology. Four concepts are reviewed in the article: Tolerance for other attachments of the child (Bindungstoleranz), cooperation and coparenting, gatekeeping. Conceptual problems with the term Bindungstoleranz, developed in Germany, seem to prevent adoption by family legal psychology. Cooperation and coparenting are used to describe features of the parental dyad or individual features regarding willingness and capability. Assessment of individual parents is error-prone if single acts are isolated from chains of action. Fairness of assessment procedures can also be a challenge. Domestic violence or child maltreatment have to be seen as behavior that makes impossible cooperation or coparenting of the other parent. Supportive, protective and restrictive gatekeeping constitute parental behavior patterns court experts can introduce as relevant evidence.

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