Forschung zu Scheidung und Hochkonflikthaftigkeit: Ein Update für Sachverständige
Heinz Kindler
Praxis der Rechtspsychologie 33 (1), Juli 2023, S. 5–39
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20230101
Zusammenfassung
Die bisherige kindbezogene Scheidungsforschung kann mittels dreier Phasen (tiefenpsychologische Spekulation, Scheidungslängsschnittstudien und Risiko-Schutzfaktorenmodelle) beschrieben werden. Zwei neuere Forschungsbereiche mit Bedeutung für die Familienrechtspsychologie betreffen Veränderungen in der Kultur von Scheidung und Forschung über hochkonflikthafte Trennungen. Der kulturelle Wandel schließt die Normalisierung von Elterntrennungen mit einer rascheren und häufigeren Gründung von Stieffamilien sowie die Intensivierung von Elternschaft in einem Teil der Gesellschaft ein, die nach einer Trennung bei beiden Elternteilen den Wunsch nach einer Fortführung der intensiven Beziehung zu Kindern begünstigt. Am bedeutsamsten könnte aber der Aufstieg des Leitbildes kooperativer elterlicher Zusammenarbeit nach einer Trennung sein. Eine gute elterliche Zusammenarbeit nach einer Trennung dient in der Regel dem Wohl von Kindern, kann als Anspruch aber zu strittigen Verfahren beitragen und steht in der Gefahr auf ungeeignete Fälle mit Partnerschaftsgewalt übertragen zu werden. Forschung zu hochkonflikthaften Trennungen hat sich auf Konfliktfelder, Konflikttaktiken und Haltungen gegenüber dem Konflikt und dem anderen Elternteil fokussiert mit einer ökologischen Herangehensweise in den letzten Jahren. Verschiedene Modelle einer Ätiologie wurden formuliert, sind aber noch kaum empirisch geprüft. Hochflikthafte Trennungen haben negative Folgen für Kinder, scheinen aus psychologischer Sicht aber eher selten als Kindeswohlgefährdung einzustufen zu sein. Neue Studien erleichtern es, die Perspektiven und Rollen von Kindern als Akteure zu verstehen. Zudem zeigen einige Interventionsstudien beschränkte, aber positive Effekte.
Abstract
In the current discourse on statement validity assessment, there are three popular topics that haA description of research on children after parental divorce may comprise three phases (psychoanalytic speculation, longitudinal studies on divorce, risk-protective factor models). Two newer research areas with relevance for family legal psychology concern a changing culture of divorce and research on high-conflict separation. Cultural change includes a normalization of divorce with a faster and more prevalent creation of stepfamilies as well as an intensification of parenting in some sectors of society encouraging both parents to aim for intensive relations with children after parental separation. Most important, however, may be the ascendent of cooperative coparenting as a guiding principle after separation. Good parental cooperation benefits children. As a demand it may also contribute to contentious court proceedings and may be transfered to unsuitable cases with domestic violence. Research on high-conflict divorce has focused on conflict domains, conflict tactics and attitudes towards conflict and the other parent with a more ecological perspective during the last years. Several models for pathways into high-conflict divorce have been formulated but are not empirically validated. High-conflict divorce has negative effects on children but thresholds for involuntary state intervention seem to be rarely crossed. New studies help to understand children’s perspectives and roles as actors. In addition, some intervention studies show moderate but positive effects.ement validity assessment, (2) the role of the expert witness in audiovisual investigative judicial interrogations, and (3) the conduct of informational interviews in the context of statement validity assessments. By deriving the relevant timeliness of the respective subject matter and presenting the factual and research situation as well as legal requirements, the respective aspects are discussed with regard to a professional substantive as well as methodological approach in the expert opinion. As a result we outline a theoretical, methodic and practical guideline for action.
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Gegründet als Mitteilungsblatt für die Mitglieder der Sektion Rechtspsychologie im Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e.V. (BDP) hat sich die Zeitschrift Praxis der Rechtspsychologie im Laufe der Jahre zu einem renommierten Fachorgan entwickelt, das Bezüge zwischen Wissenschaft und Praxis herstellt und somit einen Beitrag zu einer wissenschaftlich begründeten Praxis liefert. Neben den Themenbereichen der Rechtspsychologie werden psychologisch relevante juristische und rechtspolitische Probleme behandelt. Jede Ausgabe enthält mehrere Beiträge zu einem Schwerpunktthema, zudem Diskussions- und Praxisbeiträge, Falldarstellungen, Tagungsberichte, Rechtsprechung und Literaturhinweise. Die Schwerpunktthemen werden durch Gastherausgeber:innen koordiniert.
Die Zeitschrift richtet sich auch an Vertreter:innen angrenzender Fachgebiete wie Justiz, Anwaltschaft, Ministerien, Gerichte, Rechts-, Sozial- und Kriminalpolitik sowie im Bereich der sozialen Arbeit Tätige.
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