Notwendigkeit einer kritischen Prüfung von Methoden zur Lügenerkennung und Vernehmungstaktiken zur Informationsgewinnung von Beschuldigten: Ein Positionspapier aus Psychologie und Polizei

Lennart May, Teresa Schneider & Malgorzata Okulicz-Kozaryn

Praxis der Rechtspsychologie 32 (2), November 2022, S. 115–125
Deutscher Psychologen Verlag GmbH, Berlin
https://doi.org/10.51625/pdr20220205

Zusammenfassung

Polizeiliche Entscheidungsträgerinnen und Ermittelnde in Deutschland erhalten regelmäßig Aus- und Fortbildungsangebote zu Methoden der Lügenerkennung und zu Vernehmungstaktiken für Beschuldigte, die teilweise unseriös sind. Keinesfalls sollten ineffektive oder ungeprüfte Methoden und Taktiken durch die Polizei angewandt werden, da sie gravierende Folgen für unschuldige Personen (z.B. Freiheitsentzug, soziale Schäden) und die Bevölkerung (z.B. weitere Straftaten durch die eigentlichen Täterinnen, sinkendes Vertrauen in die polizeiliche Ermittlungstätigkeiten) nach sich ziehen können. Besonders problematisch sind pseudowissenschaftliche Angebote, die nicht systematisch geprüfte oder nachweislich ineffektive Inhalte vermitteln, jedoch wissenschaftlich begründet scheinen (z. B. aufgrund des Titels oder der Berufsbeschreibung der anbietenden Personen). Dieses Positionspapier will diese Problematik beleuchten und Personen aus der polizeilichen Lehre und Praxis dazu anregen, Angebote kritisch zu prüfen und schwerpunktmäßig theoretisch fundierte und nachgewiesenermaßen effektive Methoden zum Einschätzen von Falschaussagen (z.B. anhand von Widersprüchen) und Konzepten zur Vernehmung Beschuldigter anzuwenden.

Schlüsselwörter: Vernehmung; Täuschung; Geständnis; polizeiliche Ausbildung und Fortbildung; Pseudowissenschaft

Abstract

Police decision-makers and investigators in Germany regularly receive training offers on methods for lie detection and interview/interrogation tactics for suspects. However, some of those methods and tactics are unserious. Ineffective or untested methods and tactics should not be used by the police, as they can have serious consequences for innocent people (e.g., detention, social damage) and the population (e.g., further crimes by the actual perpetrators, decreasing trust in police investigative work). Particularly problematic are pseudoscientific offers that provide non-systematically tested or even proven ineffective methods/tactics that appear to be scientifically based (e.g., because of the title or job description of the offering person). This position paper aims to highlight this issue and wants to encourage individuals in police training and practice to critically scrutinize offers and to focus on theoretically sound and proven effective methods for assessing false statements (e.g., based on inconsistencies) and concepts for interviewing suspects.

Keywords: Interview/interrogation; Deception; Confession; Police training; Pseudoscience

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